Neruda, Jan: Zu den drei Lilien (U tří lilií Német nyelven)
U tří lilií (Cseh)
Myslím, že jsem tenkráte šílil. Každá žilka hrála, krev byla rozvařena. |
Zu den drei Lilien (Német)Ich glaube, damals war ich von Sinnen. Mein Puls flog, mein Blut wallte.Es war eine warme, aber dunkle Sommernacht. Die schweflige, schwüle Luft der letzten Tage hatte sich endlich zu schwarzen Wolken zusammengeballt. Ein Sturmwind hatte sie: gegen Abend vor sich hergepeitscht, dann entlud sich tosend ein mächtiges Gewitter, ein Platzregen prasselte nieder, und Sturm und Regen hielten bis in die späte Nacht hinein an.Ich saß unter der Holzlaube des Gasthauses »Zu den drei Lilien« in der Nähe des Strahover Tores. Es war ein kleines Gasthaus, das damals nur am Sonntag stärker besucht war, wenn sich dort in dem kleinen Salon Kadetten und Korporale zu den Klängen eines Pianos beim Tanz vergnügten.Heute war gerade Sonntag. Ich saß ganz allein unter den Arkaden an einem Tisch in der Nähe des Fensters. Gewaltige Donnerschläge rollten fast Schlag auf Schlag, der Regen schlug auf das Ziegeldach über mir, das Wasser rauschte in sprühenden Bächlein zu Boden, und dem Piano im Salon wurden nur kurze Ruhepausen gegönnt; immer wieder klimperte es von neuem.Ab und zu blickte ich durch das offene Fenster auf die sich drehenden, lachenden Paare, dann wieder schaute ich hinaus in den dunklen Vorgarten. Manchmal, wenn ein hellerer Blitz aufzuckte, sah ich an der Gartenmauer und am Ende der Arkaden Haufen menschlicher Gebeine weiß schimmern. Hier war nämlich einst ein kleiner Friedhof gewesen, und eben diese Woche hatte man die Skelette ausgegraben, um sie an einen anderen Ort zu überführen. Das Erdreich war noch aufgewühlt, die Gräber standen offen.Aber ich hielt es an meinem Tisch stets nur kurze Zeit aus. Immer wieder erhob ich mich und trat für eine Weile an die sperrangelweit offenstehende Tür des kleinen Salons, um die Tanzenden näher zu betrachten. Ein schönes, etwa achtzehnjähriges Mädchen zog mich immer wieder hin. Schlank gewachsen, dabei volle Formen, das offene schwarze Haar im Nacken kurz geschnitten, ein längliches, glattes Gesicht, helle Augen - kurz, ein hübsches Mädchen! Besonders aber zogen mich ihre Augen an. Klar wie Quellwasser und rätselhaft wie ein tiefer See, unersättliche Augen, die einem sogleich die Worte in Erinnerung rufen: »Eher sättigt sich das Feuer an Holzscheiten und das Meer am Wasser als eine Schönäugige am Anblick der Männer.«Sie tanzte fast unablässig. Aber sie merkte sehr wohl, daß ihr meine Blicke immer wieder folgten. Wenn sie an der Tür vorbeitanzte, an der ich stand, blickte sie mich stets unverwandt an, und wenn sie weiter durch den Salon tanzte, sah und fühlte ich, daß mich bei jeder Umdrehung ihr Blick streifte. Ich bemerkte nicht, daß sie mit jemandem auch nur ein Wort gesprochen hätte.Schon stand ich wieder dort. Unsere Blicke begegneten einander sofort, obwohl sie jetzt in der letzten Reihe stand. Die Quadrille ging zu Ende, die fünfte Tour verklang, da lief ein anderes Mädchen in den Saal, ganz außer Atem und völlig durchnäßt. Sie kämpfte sich bis zu der Schönäugigen durch. Die Musik setzte eben zur sechsten Tour ein. Über die erste Kette hinweg flüsterte das eben angekommene Mädchen der Schönäugigen etwas zu, und diese nickte schweigend mit dem Kopf. Die sechste Tour dauerte etwas länger, ein strammer junger Kadett führte sie an. Als sie zu Ende war, blickte die Schönäugige noch einmal zur Gartentür, dann ging sie zu der Vordertür des Salons. Ich sah, wie sie draußen das Oberkleid über den Kopf streifte, dann verschwand sie.Ich ging und setzte mich wieder an meinen Platz. Der Sturm setzte neuerlich ein, als hätte er sich bisher noch nicht ausgetobt; er brauste mit neuer Kraft. Blitze zuckten durch die Luft. Ich lauschte voll Erregung, aber ich dachte nur an jenes Mädchen, an ihre wunderbaren Augen. An den Heimweg war jetzt ohnehin nicht zu denken. Etwa nach einer Viertelstunde blickte ich zufällig zur Tür des kleinen Salons. Da stand die Schönäugige wieder da. Sie glättete eben ihre durchnäßten Kleider und trocknete ihr feuchtes Haar, wobei ihr eine ältere Gefährtin behilflich war.»Warum bist du bei diesem Unwetter nach Hause gelaufen?« fragte diese.»Meine Schwester hat mich geholt.« Zum erstenmal vernahm ich ihre Stimme. Sie war seidenweich und klangvoll. »Ist zu Hause etwas geschehen?«»Meine Mutter ist eben gestorben.« Mich überlief ein Schauder.Die Schönäugige wandte sich um und trat zu mir in die Dunkelheit hinaus. Sie stand an meiner Seite, ihr Blick ruhte auf mir. Ich fühlte ihre Rechte neben meiner zitternden Hand. Ich ergriff dieses Händchen; es war so weich.Schweigend zog ich das Mädchen tiefer und tiefer in die Arkaden, und das Mädchen folgte willig.Der Sturm hatte jetzt seinen Höhepunkt erreicht. Er tobte wie eine Sturmflut, Himmel und Erde tosten, über unseren Häuptern rollte der Donner, rings um uns war es, als brüllten die Toten aus ihren Gräbern.Sie preßte sich an mich. Ich fühlte, wie sich ihr feuchtes Kleid an meine Brust schmiegte, fühlte ihren weichen Körper, den warmen, glühenden Atem - mir war, als müßte ich ihr die verruchte Seele aussaugen! |